Das hippo-logische Ausbildungssystem:
Die sieben Wege des Gefühls - am Boden und unter dem Sattel
In diesem Artikel werden die Grundlagen unserer hippo-logischen Pädagogik erläutert.
Die einzelnen Themen: * Erziehung * Nachgiebigkeit * Gehorsam und Durchlässigkeit * Konsequenz * Meiden, Flucht und Widerstand * Gewöhnung * Sensibilität und Schreckhaftigkeit * Gelassenheit und Losgelassenheit * Hilfen * systematisches Lernen * von der Grundschule bis zur Hochschule * die Balance von Herz, Hand und Hirn * Leistung und Leichtigkeit * Entwicklung statt Leistung |
Pferde brauchen Grenzen
Ausbildung von Pferden bedeutet zunächst einmal Erziehung. Pferde
müssen (wie Menschen auch) die Regeln des sozialen Miteinanders kennen-
und respektieren lernen. Vereinfacht gesagt: Sie müssen lernen, Grenzen zu akzeptieren und bei unerwünschtem Verhalten Konsequenzen erfahren.
Aus der natürlichen Umgebung der Herde kennen sie das von Geburt an.
Im Umgang mit Menschen müssen sie es erst lernen. Nachgiebigkeit und Gehorsam sind nichts anderes als Ausdruck der Akzeptanz von Grenzen. Und Gehorsam meint nichts anderes als Durchlässigkeit. Konsequenz ist der angemessenste Weg, um dies zu lernen. |
In dem Maß, wie es gelingt, Pferde mit Konsequenz an Gehorsam, Akzeptanz
von Grenzen und Nachgiebigkeit zu gewöhnen, im gleichen Maß können
die Grenzen erweitert und weitere Erfahrungen gesammelt werden. Hier
erst beginnt Ausbildung, und sie setzt sich fort in Weiter-Bildung
– je nach Talent und Fähigkeit. Gehorsam bedeutet in diesem Zusammenhang: 1. zuhören (wie ge-horchen); dann 2. akzeptieren: hinnehmen dessen, was der Mensch fordert; und schließlich 3. nachgeben: es dann auch zu tun. |
Ohne Gehorsam, Akzeptanz und Nachgiebigkeit geht alles schief
Der Dreiklang von Gehorsam, Akzeptanz von Grenzen und Nachgiebigkeit
ist in der Pferdeerziehung zwingend nötig, weil das Pferd von Natur
aus darauf ausgerichtet ist, außerhalb des Herdenverbundes ohne Grenzen zu leben. Äußere, also artfremde Grenzen bedrohen sein Leben – ob
räumliche Grenzen, die Flucht unmöglich machen oder die „Grenzen“
zweier Zahnreihen eines Raubtieres, die den baldigen Tod bedeuten. Alle drei pferdische Verhaltensweisen – meiden, Flucht und Widerstand - sind (nicht nur) im Umgang mit Menschen hinderlich, gefährlich oder schädlich. Sie sind es auch für die Pferde selbst. An einem simplen Beispiel erläutert: Pferde kennen von Natur aus unsere Straßenverkehrsordnung nicht. Das heißt, je nach Charakter, Temperament und Erfahrungen meiden sie derlei Dinge, sie fliehen davor (vor Autos beispielsweise), oder sie rennen im schlimmsten Fall dagegen. Wichtig ist auch: Sie fliehen nicht nur vor etwas, das sie sehen, sondern auch vor unbekannten und |
unangenehmen Geräuschen, vor unbekannten und unangenehmen Bewegungen oder Berührungen (und möglicherweise auch vor bestimmten Gerüchen). An all das müssen Pferde gewöhnt werden, sonst gefährden sie sich und andere. Doch es ist nicht nur das Extreme, an das Pferde erst gewöhnt werden müssen. Selbst an das (für uns Menschen!) Normale gilt es, Pferde zu gewöhnen: die Bewegungen unserer Arme und Beine, ein Seil, das wir in der Hand halten, Zügel, Sattel, Decken und andere Hilfsmittel. An all das (und an alles vergleichbar Unbekannte) müssen Pferde immer erst gewöhnt werden, bis sie lernen können, ihr Bewegungspotential zur Freude des Menschen und mit ihm gemeinsam auf Höchste zu entfalten. Ja selbst unser Denken und Atmen (und wahrscheinlich erst recht unser Fleischfresser-Geruch) ist ihnen zunächst einmal fremd. Das Training von Gehorsam, Akzeptanz von Grenzen und Nachgiebigkeit ist der Weg dahin. Doch Gehorsam, Akzeptanz und Nachgiebigkeit trotz artfremder Grenzen sind zugleich das Ziel, um nicht nur Leistung zu erhalten, sondern auch Sicherheit, Freude und Entspannung. Denn so lange Pferde um ihr Leben fürchten, können sie (ebenso wenig wie Menschen) irgendetwas (nicht nur im Umgang mit Menschen) Sinnvolles lernen. |
Sensibilität von Schreckhaftigkeit unterscheiden
Sensibilität liegt in der Natur des Pferdes, nicht Schreckhaftigkeit.
Das ist ein eminenter Unterschied! Ihre Sensibilität, die Fähigkeit
der Pferde zu feiner Wahrnehmung, ist die Grundlage für Überleben
in Ruhe und Beschaulichkeit und nicht für Panik. Die feinen „Antennen“
der Pferde warnen sie in der Regel früh genug, so dass entsprechende
Maßnahmen ohne Hektik ergriffen werden können. Wilde Flucht oder panikartige
„kopflose“ Reaktionen sind nur Manöver des letzten Augenblicks, das
„worst-case“-Szenario. |
Gelassenheit (oder Losgelassenheit) ist deshalb das A & O jeglicher
Ausbildung. Gehorsam, Akzeptanz von Grenzen und Nachgiebigkeit sind
das Ergebnis von Gelassenheit. Ohne Gelassenheit gibt es keine Nachgiebigkeit,
sondern Spannung; statt Gehorsam (also zuhören und akzeptieren) wird
Weghören praktiziert; statt Akzeptanz zeigt das Pferd furchtsamen
Widerstand. Auch die Ausbildungsskala der Deutschen Reitlehre sieht die Losgelassenheit als Basis. Sie stellt allerdings keine (jedenfalls keine ausreichenden) Mittel zur Verfügung, Mensch und Pferd Gelassenheit zu lehren. Die Gelassenheitsprüfung (GHP) gehört weder zum Kanon der LPO, dem Regelwerk für alle nationalen Turniere der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), noch erfüllt sie inhaltlich über weite Strecken die Kriterien wirklichen Gelassenheitstrainings. Denn um welche Gelassenheit mag es sich handeln, wenn Vorführern und Reitern zur Prüfung ein Katalog von Sicherheitsausrüstung empfohlen wird, wie etwa Schuhe mit Stahlkappen oder Sicherheitsweste, und das Pferd beispielsweise mit Führkette zur Prüfung vorgestellt werden darf? Wo Mißtrauen und Vorsicht angesagt sind, da kann Erziehung zu Vertrauen nicht gefruchtet haben. |
Dressur Grundlage aller Reiterei?
Insofern ist es auch ein großes Missverständnis, dass Grundlage aller
Reiterei die dressurmäßige Ausbildung von Pferden sei. Dressur vertritt
zwar in der reinen Lehre den Anspruch, Pferde so auszubilden und zu
formen, dass die natürlichen Veranlagungen des Pferdes durch gymnastische
Übungen gefördert und verfeinert werden. Tatsächlich aber findet diese
Ausbildung meist ohne ausreichende Grundlagen statt, so dass Mensch
und Pferd schnell überfordert werden. Und Grundlagenarbeit heißt:
Pferde bis ins kleinste Detail so an die (im übertragenen Sinn) „Straßenverkehrsordnung“
zu gewöhnen, dass Angst kein Hemmnis mehr beim Lernen darstellen -
weder beim Pferd noch beim Menschen! |
In
dieser Grundlagenschulung lernt das Pferd Grenzen zu akzeptieren und
in der weiteren dressurmäßigen Förderung lernt es (bei entsprechendem
Talent!), innerhalb akzeptierter Grenzen (Höchst-)Leistungen in der
Bewegung zu erbringen. Doch auch für diese formende Reiterei untalentierte Pferde müssen lernen, Grenzen zu akzeptieren, denn ohne diesen Lernweg würde auch das schnellste Rennpferd unberechenbar (und somit sieglos und bald verletzt) bleiben; das talentierteste Gangpferd die Beine nur nach eigenem Gusto bewegen; das Kutschpferd jede Ausfahrt zum Höllentrip machen und selbst die häufig so verbindlichen Westernpferde würden ihren Cowboys und Cowgirls beibringen, was Rodeo bedeutet. Von den sogenannten „Freizeitpferden“ ganz abgesehen, die ja vor allem aus Vergnügen und zur Entspannung geritten werden (sollten). |
Systematisches Lernen: von der Grundschule zur Hochschule
Grundlagenarbeit beginnt immer am Boden: zunächst, in der Regel, frei
im „Roundpen“ und dann am Führseil. Roundpen und Führseiltraining
können in diesem Sinn als Grundschule bezeichnet werden, auf die die Hauptschule aufbaut. Allerdings unterscheiden wir in unserer Schule noch einmal an der Basis des formenden „Dressur“-Reitens. So beginnt auch „formendes“ Dressurreiten bei uns mit einer Grundschule – allerdings erst, nachdem die Grund- und Hauptschule am Boden und |
die Hauptschule des „lässigen“ Reitens absolviert wurden! Der Lernstoff der Grund- und Hauptschule unterscheidet sich nicht
dramatisch. In der Hauptschule festigt sich der Stoff der Grundschule,
und es wird die Basis fürs Gymnasium gelegt. |
Weitere mögliche Aufgliederung eines Schulungssystems
Theoretisch möglich wäre in und über den höheren Stufen unseres formalen Ausbildungsschemas noch zusätzlich zu unterscheiden zwischen:
Selbstverständlich gibt es all diese Schulen und Schulformen für Pferd und Reiter „irgendwie und irgendwo“ schon. Jeder Ausbildungsstall - nach welcher Reitweise auch immer dort unterrichtet wird - repräsentiert meist eine Form der Ausbildung und innerhalb derer unterschiedliche Ausbildungsniveaus. Die Frage ist nur, wie und in welcher Weise dort gelehrt und ausgebildet wird. Typischerweise fehlt entweder die umfassende Bodenschule oder die Bodenarbeit führt ein Singledasein – fern oder gar |
unter stillschweigendem Ausschluss weiterer Entwicklungsmöglichkeiten für Mensch oder Pferd. Pferde und Menschen mit gymnasialem Stoff zu befrachten, die noch
keine Grund- oder Hauptschule von innen gesehen haben, bedeutet hingegen immer:
totale Überforderung, und in der Folge Frust. Im schlimmsten Fall Versagen, Ängste und Krankheiten. |
Die Balance von Herz, Hand und Hirn
Unser 4-Stufen-Entwicklungssystem (mit der dazu gehörigen Ausbildung)
folgt dem Prinzip von "horse-sense", was im englischen "gesunder Menschenverstand"
bedeutet. Bedeutsamer und zielführender als „Leistung“, die von manchen schnell
instrumentalisiert wird, um Druck auszuüben oder Konkurrenz zu etablieren,
ist jedoch der Begriff „Entwicklung“. Entwicklung unterstellt bereits
vorhandenes Potential und will eher fördern statt fordern. Da Pferde
- nicht nur im Leistungssport, sondern auch bei manchen Freizeitreitern,
wenn diese Menschen der Ehrgeiz packt - allzu schnell die Opfer missverstandenen
Leistungsdenkens sind, kann der „Entwicklungs-Gedanke“ zugleich Schutzfunktion
in der Ausbildung von Pferden übernehmen. Respekt beginnt mit einer guten Beziehung und beweist sich darin, sich und den anderen nicht zu fürchten, sondern sich und ihn zu fördern. Förderung findet immer auf drei Ebenen statt: auf der Ebene von Herz, Hand und Hirn. Herz steht dabei für fühlen, Hand für handeln und Hirn für denken. |
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